Hintergrundgespräch IRAN

First come, first serve

Im Dialog zwischen Herrn Dr. Georg Weingartner, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Teheran und Herrn Manfred Kainz, Obmann des Landesgremiums Außenhandel der Wirtschaftskammer Steiermark, sowie Geschäftsführer der TCM International GmbH, erhielten die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops im Rahmen des 11. Steirischen Exporttages einen guten Einblick in die aktuelle wirtschaftliche Situation und die Chancen für heimische Unternehmen im Iran.

Nach einem anfänglichen Bericht über die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Sanktionen ging Herr Dr. Weingartner auf das enorme Potential, das aus einem Markt mit 400 Millionen Einwohnern in der Region und einer so bedeutenden Rolle als „Industrie-Hub“ der umliegenden Länder hervorgeht, ein. Aus der Stellung des Irans entstehen Möglichkeiten für steirische Unternehmen in sämtlichen Branchen und um diese zu nutzen, müsse jetzt gehandelt werden.

Obwohl eine plötzliche Aufhebung der Sanktionen nicht wahrscheinlich ist, gehen die Experten von einer zumindest mittelfristigen Suspendierung der Sanktionen aus. So könnten Einschränkungen zuerst abgeschwächt und danach ausgesetzt werden; eine gänzliche Aufhebung wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Da der Iran das am weitesten industrialisierte Land in der Region ist, jedoch 80 Prozent der Industrieanlagen veraltet sind und schlechte Erfahrungen mit chinesischer Billigware gemacht wurden, sind europäische – und besonders deutsche und österreichische – Qualität besonders begehrt, was zu großen Chancen auch für steirische Unternehmen führt. Die Finanzierung für Investitionsprojekte ist im Iran vorhanden und die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten hoch. Es ist davon auszugehen, dass der Automobilindustrie und der chemischen Industrie die anderen Sektoren folgen werden und das Land bei Aufhebung der Sanktionen einen starken Wachstumsschub erfahren wird.

Manfred Kainz beschreibt die Situation in der Automobilindustrie sehr aussichtsreich, da sich die iranische Regierung – Meldungen zufolge – für 2025 zum Ziel gesetzt hat, die Nummer 5 in der Automobilproduktion in Asien zu sein und die Produktion von derzeit bereits 1 Mio. auf ca. 3 Mio. Fahrzeuge, 2 Mio. allein für den Binnenmarkt und 1 Mio. für den Export, zu steigern.

Speziell Infrastrukturprojekte seien wegen dem immens hohen Verkehrsaufkommen in allen Städten des Irans besonders wichtig. Die Regierung in Teheran hat erst kürzlich beschlossen, dass in allen größeren Städten U-Bahnsysteme errichtet werden müssen, um dem Verkehrschaos Einhalt zu gebieten. Der Umweltschutz ist in den Unternehmen zwar noch zweitrangig, es herrscht allerdings ein wachsendes Bedürfnis in der Bevölkerung und das Bewusstsein für geringere Umweltauswirkungen ist bereits vorhanden. Neben dem extremen Verkehrsaufkommen und der dadurch entstehenden Luftverschmutzung in Städten stellen vor allem die Wasserknappheit und die Abfallentsorgung zwingende Problematiken dar und verlangen nach Lösungen. Dadurch entstehen auch im Umweltsektor enorme Potentiale für österreichische Firmen. Einige österreichische Unternehmen in den Bereichen Abfallbehandlung und -entsorgung, Wasserreinigung und Luftreinhaltung sind bereits – teilweise sehr erfolgreich – vor Ort.

Die Finanzsanktionen, die dem Iran von den USA und der EU auferlegt wurden, stellen das größte Problem dar: Da sich alle österreichischen Banken aus den Geschäften mit dem Iran zurückgezogen haben und so faktisch keine Überweisungen vom Iran nach Österreich und vice versa möglich sind, müssen sämtliche Transaktionen über Drittstaaten erfolgen und auch bei der Nationalbank vorangemeldet werden. Durch dieses Finanzsystem, in dem „Wechselstuben“ (Sarafi) die Transaktionen über Drittstaaten wie Dubai oder die Türkei in europäische Länder durchführen, können Überweisungen langwierig und kostspielig werden (Wechselkurs der Drittwährung, etc.). Bei Wahl der richtigen Bank – lediglich zehn Banken befinden sich nicht auf der schwarzen Liste der Europäischen Union – und bei Einhaltung der Vorschriften sind diese aber durchaus möglich, allerdings werden aus diesem Grund Geschäfte derzeit zum Großteil mit Vorauskasse abgewickelt. Der Mangel an Devisen, der im Iran herrscht und der Bankgeschäfte derzeit noch weiter erschwert, sollte sich laut Auskunft von Herrn Dr. Weingartner allerdings kurz- bis maximal mittelfristig auflösen und somit einen ersten Schritt in Richtung einer Erleichterung schon bald fühlbar machen.

Georg Weingartner ist optimistisch und ermuntert zu Geschäften mit dem und im Iran; bisher seien alle Zahlungen angekommen, wenn auch verzögert und teilweise auf Umwegen. Außerdem seien österreichische Partner im Iran hoch angesehen, da Österreich eines der wenigen Länder war, das schon sehr früh mit Delegationen vor Ort war und die Wirtschaftsbeziehungen auch aufrecht erhalten hat. Er weist aber auch darauf hin, dass die genaue Kenntnis der Sanktionsbestimmungen bei jeder geschäftlichen Tätigkeit unerlässlich sei und dass sich jedes Unternehmen mit größter Sorgfalt damit befassen müsse.

Die sechs zollfreien Zonen, für die Geschäftsleute von der Visapflicht befreit sind, liegen unter anderem an den Grenzen zur Türkei und dem Irak und ermöglichen somit einen Zugang zu dem mit dem Iran stark wirtschaftlich verflochtenen Süd-Irak, der Kurdenregion und Afghanistan. Diese Regionen sind für Infrastrukturprojekte hauptsächlich über den Iran erreichbar, welcher mit seiner in der Region einzigartigen Produktionsstruktur den besten Zugangspunkt für europäische Unternehmen bildet.

In Teheran herrscht Aufbruchsstimmung und die Atmosphäre lockere sich spürbar, so der österreichische Wirtschaftsdelegierte. Die Bevölkerung dränge auf eine Lockerung bzw. Aufhebung der Sanktionen und „will mit dem Leben beginnen“. Der erste Schwung der Ansiedelung und Markterschließung durch internationale, vor allem europäische Firmen sei bereits geschehen. Folglich treffe ein Unternehmen, das jetzt im Iran durchstarte, vor Ort schon auf die meisten seiner europäischen Konkurrenten und müsse sich beeilen, um bei einer Öffnung des Irans noch profitieren zu können. Schon bald könnte es zu spät sein!

Fazit: Die Sanktionen werden – laut Einschätzung unserer Experten – in absehbarer Zeit zumindest gelockert werden und Wirtschaftsbeziehungen nicht mehr im Wege stehen.

Das Motto lautet:
Wir Steirer müssen bereit und vor Ort sein!